Marokko in der Gruppe bereisen – kann das was für mich sein?
Qui, bien sûr!
Nach Marokko und mit meiner BMW F800 GS in die Sahara wollte ich unbedingt. Fragte sich nur wie:
Nachdem ich zum Jahreswechsel die faszinierenden Wüstenbilder der Rallye Dakar gesehen und mich dazu entschieden habe, den Job mal wieder etwas ruhen zu lassen, schaute ich, wie ich auf schnellstem Wege irgendwie in eine Wüste kommen könnte.
Naheliegend: die Sahara!
Üblicherweise starte ich auf eigene Faust oder mit einem eingespielten Team von 1-2 Freunden auf größere Motorradtouren. Diese Freunde haben aber keine Zeit und allein erstmals auf den afrikanischen Kontinent samt Motorrad überzusetzen, spricht mich nicht wirklich an. Zudem bin ich mir nicht sicher, ob mein Orientierungssinn ausreicht, mich sicher in die größte Trockenwüste der Erde hinein und vor allem, auch wieder herauszuführen.
Zumindest letztere Zweifel sollte sich bewahrheiten, obwohl ich mich zur Gruppenreise entschließe. Dazu kommen wir jedoch später und auch zu einem anderen “Highlight”, das ich mir auf der vorletzten Etappe gestattete. Doch erstmal muss das Moped zum Startort Malaga, Spanien und dann gilt es in Marokko noch diverse Gebirge zu überwinden, bevor die Wüste in Sicht kommt.
So viel schon mal vorweg: Wow – was für ein abwechslungsreiches Land!!! Damit habe ich nicht gerechnet, nachdem ich es bislang nur als pauschaler Strandurlauber bereist hatte. Der grüne hügelige Norden erinnert mit seinen Rapsfeldern eher an das Sauerland im Frühling, dann kommt der gewaltige Hohe Atlas mit seinen schneebedeckten Gipfeln und danach wird es immer karger, wärmer und sandiger…
Aber gemach, gemach, erstmal müssen wir per Fähre die Meerenge zwischen Spanien und Marokko überqueren. Das erweist sich als überraschend unkompliziert und zügig.
Ich habe mich für eine Tour mit Roadroom entschieden; dessen Gründer André bietet mit seiner Frau Anna folgendes an:
Motorradtour mit Guide + Motorradtransport + Flügen + Hotels, also das Rundum-Sorglospaket. Man kann es auch als selbstgeführte Tour machen, was ich am vorletzten Tag etwas abenteuerlich ausgerechnet im Rifgebirge ausprobieren werde.
Wir – und das sind immerhin 21 TeilnehmerInnen- versammeln uns am 10. März in einem Vorort von Malaga, wo an einer Garage unsere Motorräder, sowie das Gepäck schon auf uns warten. All das hatten André und sein Mitarbeiter in den letzten zwei Wochen bereits in ganz Deutschland und der Schweiz eingesammelt und nach Spanien gebracht. Das ist mal ein Service! Der Abschied von meiner GS fiel mir an einem trüben Tag in Hamburg Eimsbüttel nicht allzu schwer, wusste ich doch, dass ich zehn Tage später in die Sonne hinterherfliegen würde. Verladung und Transport funktionieren reibungslos und professionell.
Nachdem wir unsere Motorräder für den Start am nächsten Morgen vorbereitet haben (Koffer, Gepäckrollen und Tankrucksäcke bestücken und zum Volltanken fahren) treffen wir uns zum Abendessen und anschließender Übernachtung in einem fußläufig entfernten Hotel. Dort erhalten wir das detaillierte Roadbook und die Aufteilung der großen Gruppe in zwei kleinere. Eine geführt von André auf seiner GS 1200 und die andere von Franz, dem bayerischen Urgestein auf seiner KTM 1290 R.
Ich bin in Andrés Gruppe und folge daher ihm am nächsten Morgen um 10 zur Fähre von Algeciras nach Ceuta und zur Weiterfahrt nach Chefchaouen. Also Ceuta als spanische Exklave auf der marokkanischen Seite der Straße von Gibraltar kannte ich schon mal nicht. Zollformalitäten erfolgen erst, nachdem wir auf dem Landwege von Ceuta aus nach Marokko einreisen. Und wie!!!
Mannomann – soll das der Vorgeschmack auf Kontrollen durch die Behörden Marokkos für die nächsten zwei Wochen sein? Hoffentlich nicht, denn die Zöllner lassen offenbar nur hin und wieder einzelne Fahrzeuge bis zu einem ihrer spärlich besetzten Häuschen vorfahren, um dann in aller Ruhe einen Blick auf die Papiere und teilweise auch in das Gepäck zu werfen. Es ist Samstagnachmittag und Heerscharen von Pendlern, die in Spanien arbeiten, wollen am Wochenende zu ihren Familien nach Marokko. Verständlich! Aber nicht zu verstehen ist, warum nur eine von drei Spuren für die Einreise geöffnet ist. Das riecht schwer nach Schikane. Und so empfinden es offenbar auch viele Marokkaner. Einige von ihnen auf Motorrollern, die nun wirklich nicht viel schmuggeln könnten, verlieren nach 1,5h die Nerven und fahren wild hupend auf das Eisentor zu, das den Übergang zu den Kontrollspuren verengt.
Dadurch reißen sie unsere Gruppe auseinander und der Geduldsfaden des Oberzöllners reißt ebenfalls. Er hält nun erstmal alle weiteren Zweiräder auf (leider auch mich, obwohl ich bald dran gewesen wäre) und winkt nun erstmal Autos durch. Die fahren sich gegenseitig hinten rein, weil jeder der Erste sein will, und quetschen sich zwischen uns und dem Ende des Eisentores durch. Und dann erstmal wieder eine knappe Stunde Stillstand. Sowas habe ich noch nicht erlebt. Bin ich es doch gewohnt, früher selbst an der russischen und mexikanischen Grenze als Mopedfahrer immer nach vorn gewunken und schnell abgefertigt zu werden. Und auf norwegischen Fähren dürfen Mopeds immer zuerst auf und von der Fähre fahren. Wenn das hier nicht mal fix vorangeht, habe ich langsam schon keinen Bock mehr auf das Land. Am Ende brauchen wir fast drei Stunden für die Grenzüberschreitung und dann muss ich mir danach auch noch eine örtliche Haftpflichtversicherung besorgen, weil meine Janitos Versicherung Marokko auf der grünen Karte durchgestrichen und auch auf Nachfrage nicht für zwei Wochen Urlaub freigegeben hat. Im Gegensatz zu anderen Versicherern. Memo and mich – im November die Versicherung wechseln.
Die Nerven liegen also etwas blank, als wir nach ca. drei Stunde letztlich alle Schikanen überwunden haben. Der Abschluss der Versicherung ging übrigens erfreulich schnell an einem Büdchen hinter dem letzten Eisengatter und war mit 90,-€ auch zu verkraften. Andere Mitreisende hatten die Wartezeit genutzt, um sich schon marokkanische SIM-Karten zu besorgen.
Aber wie geplant um 17 Uhr die schöne blaue Stadt Chefchaouen zu erreichen und bei Tageslicht zu besichtigen, konnten wir nach dem Zeitverlust knicken. Das war ein kleiner Dämpfer, der sich jedoch sehr schnell auflöste, weil uns Marokko von nun an mit herrlichen Hügeln, satten Weiden und Rapsfeldern begrüßt. Ist die Fähre irgendwie via Attersee im Sauerland gestrandet? Nein, der Norden Marokkos ist tatsächlich sooo grün im Frühling und wir profitieren offenbar auch davon, dass es bis letzte Woche hier ordentlich geregnet hat. Wunderbar!
Noch wunderbarer ist, dass sich die marokkanischen Behörden von nun an und bis zur Rückreise so gut wie gar nicht mehr für uns interessieren. Polizeiposten an den Zufahrtsstraßen der meisten Ortschaften ja, aber denen sind wir vollkommen egal. Auch den Polizeiposten mit den Laserpistolen – egal. Unsere bisweilen sportlichen Geschwindigkeiten – vollkommen egal. Die kontrollieren nur die Einheimischen.
Okay, dann ist mir nun auch die lange Einreiseprozedur – na was wohl? – Ja, egal!
Und Chefchaouen ist auch in der Dämmerung ein Kleinod. Diese kleinen blauen Gassen der Medina (Altstadt) verzaubern uns sofort.
Aber nicht nur uns. Vor unserem Hotel sieht es aus, wie auf einem großen Motorradtreffen. Zwei spanischen Reisegruppen inklusive dem BMW Moto Club Madrid sind auch schon da.
Ein Freund aus Deutschland fragt mich, ob ich keine Angst um mein Motorrad habe. Nachdem er dieses Foto sieht, hat er keine Fragen mehr. Vor meinem 12 Jahre alten Schätzchen stehen die neusten Modelle aus Europa, USA und Japan.
Was steht als nächstes an? Von Chefchaouen nach Meknès – ca.270 km
Heute also die erste komplette Tagesetappe auf marokkanischen Boden. Ich bin gespannt, wie das in der Gruppe klappt. Erstmal finden wir allerdings nicht aus der Stadt heraus da es doch viele Pop-Up-Baustellen gibt und der Weg, der vorgestern noch in Ordnung war, ist es möglicherweise heute schon nicht mehr. Das wird morgen nochmal deutlich unter Beweis gestellt, als eine Straße im Stausee endet. Der See sorgt bei allen für große Augen und die Hirten auf ihren Pferden schmunzeln, als wir auf dem Rückweg wieder an ihnen vorbeifahren.
Wir sind zügig unterwegs mit unserer Gruppe von neun Motorrädern. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Absprachegemäß bleibt einer immer ganz hinten und sammelt auch die Fahrer ein, die gerne mal ein Foto schießen wollen oder irgendwelche Sachen richten müssen.
Unser Hotel liegt etwas oberhalb der Stadt, so dass wir einen tollen Blick auf Meknès haben.
Nach dem späten Abendessen kann ich keinen der Mitreisenden für einen spontanen Ausflug zum Königspalast begeistern. So ruft mir die Rezeption einen überaus freundlichen und engagierten Taxifahrer, der mich kurz vor Mitternacht noch auf eine Runde mitnimmt. Samir freut sich, mir zu so später Stunde seine Stadt zeigen zu können. Das macht er zu einem äußerst fairen Kurs. Umgerechnet 5 €. Da fange ich erst gar nicht an zu verhandeln.
Das wunderbare Stadttor wird aktuell leider restauriert. Das Transparent, auf das es aufgemalt wurde, ist aber schon sehr beeindruckend. Super, wenn das schönste Stadttor Marokkos demnächst wieder in altem Glanz erstrahlt. Ein Eingangstor zum Königspalast und die Türme der Moscheen sind aber auch schon sehr beeindruckend.
Der Verkehr hier ist aber doch etwas anstrengend und so bin ich mittlerweile doch froh, dass wir keine noch größeren Städte anfahren. Marrakesch muss warten. André hat sich schon etwas gedacht bei seiner Routenführung!
Heute fahren wir von Meknès nach Afourer 319km; 5:30 h Fahrtzeit laut Calimoto
“We´re on the highway to Stausee…” Bei der letzten Tour durch Marokko führte diese Straße noch nicht in die See, wie uns die Guides glaubhaft versichern. Glaube ich gern, angesichts der manchmal abenteuerlichen Straßenführungen. Insgesamt bin ich allerdings sehr positiv überrascht von der Infrastruktur im Lande. Die lockt tatsächlich auch eine Karawane von 80! Ferraris aus Europa und Afrika an, den RO 80 Club Deutschland, die Rally Maroc Classic 2023, einen R4 Club etc. Nicht zu fassen; sind plötzlich alle hier? Ich kannte bislang niemanden, der/die mit dem eigenen Fahrzeug durch Marokko gereist ist. Und jetzt kurven hier allein Ferraris im Wert von 100 Mio. € rum (Wert laut Pressebericht, den ich dazu gefunden habe.)
Hattet ihr schon mal einen Pfau auf dem Balkon? Nein? Dann mal schnell ins Hotel Chems Le Tazarkount. Witzig, wenn einen morgens solche Tiere begrüßen! Und für den Blick auf den Sonnenaufgang hinter den Bergen schaffe auch ich Schlafmütze es verhältnismäßig schnell aus dem Bett. Das Hotel ist auf der Tour übrigens das einzige, das eine (leider wirklich nur eine) Dose alkoholfreies Bier vorrätig hat. Die trinke ich gern, da ich seit Aschermittwoch auf Alkohol verzichte. Hätte gedacht, dass ich in einem islamisch geprägten Land doch häufiger welches bekomme. Aber Ramadan geht ja auch erst in 10 Tagen los. Bis dahin werden die Vorräte hoffentlich aufgefüllt. Der Rest der Gruppe schafft es täglich, sich das Stiefelbier zu organisieren, selbst wenn dafür zwischendurch ein besonderes Geschäft angesteuert werden muss.
Wir fahren auf der nächsten Etappe von Afourer nach Ouarzazate, wo wir zwei Nächte bleiben werden.
Von nun an tauchen auf jedem noch so verlassenen Schotterplatz wie aus dem Nichts Menschen, oft Greise und Kinder, auf, die uns irgendwas verkaufen wollen. Nüsse, Kräuter, Oliven und vermutlich selbstgebastelte Amethysten. Die glitzern jedoch so schön, dass ich einen kaufe. Da ich die Angewohnheit habe, Reiseführer im Detail oft erst nach Reisen zu lesen, sehe ich die Warnung vor falschen Mineralien und Fossilien zwei Wochen nach dem Kauf. Naja, der alte Herr muss ja von irgendwas leben und 10 € kann man auch für eine gute Kopie ausgeben.
Und noch etwas taucht ab Afourer immer wieder am Horizont auf. Die mächtigen und verschneiten Gipfel des Hohen Atlas. Dieses Land ist wirklich voller Überraschungen und obwohl es immer trockener wird, haben wir den Schnee im Blick. Dafür hält einer nach dem anderen an, um die Kamera zu zücken.
Heute gibt es richtig was zu sehen, denn unsere Gruppe entschließt sich noch einen sehr sehenswerten Stopp bei den Ouzoud-Fällen einzulegen. Das sind laut Wikipedia die höchsten und wasserreichsten Wasserfälle Marokkos. Am imposantesten sind sie nach den winterlichen Regenfällen. Gut, dass es neulich noch geregnet hat!
Kulinarischer Tipp: So oft es geht, Berber Omelett bestellen. So wie hier in den kleinen Restaurants an den Wasserfällen.
Am frühen Abend erreichen wir Ouarzazate, wo wir zwei Nächte verbringen werden. Von hier aus können wir einiges erkunden und erstmals ohne Gepäck unsere Offroad-Künste testen. Dass diese trotz teurem Gelände-Hightech-Moped manchmal etwas verbesserungswürdig sind, erfahren wir in einer kleinen “Offroad-Gruppe” auf dem Rückweg von Aït-Ben-Haddou. Nachdem wir dieses UNESCO Weltkulturerbe mit allen gemeinsam besichtigt und anschließend die beste Tajine der gesamten Tour zu uns genommen haben, teilt sich die große Gruppe auf. Einige wollen noch die Atlas Filmstudios besichtigen, so manchen zieht es nach einem heißen Tag direkt wieder ins Hotel und eine kleine Gruppe entschließt sich, die ca. 25km lange alte “Straße” zurück nach Ouarzazate zu nehmen. In den Kiesmulden, Sandlöchern und auch sonst überwiegend losen Untergrund bleiben leichte Stürze und Überwindungen der Furcht um das schöne eigene Motorrad nicht aus.
Ich entscheide mich für die „alte Straße“. Angeleitet werden wir von Franz auf seiner KTM-Adventure, dem ich sofort ansehe, dass er solche Strecken liebt und mühelos beherrscht. Das kann hier nicht jeder von sich behaupten. Natürlich musste ich mich dieser Gruppe anschließen, da meine 800er GS auch schon lange nicht mehr abseits von Asphalt bewegt wurde. Nach anfänglichem Rumeiern kommt wieder Freude an diesem Terrain auf. Zudem freue ich mich, dass es auf einer Gruppenreise möglich ist, solche Ausflüge zu machen. Es finden sich immer wieder Mitfahrer, die mal an ihre Grenzen gehen möchten. Sehr schön! Beeindruckend ist auf dieser Passage auch der Blick auf eines der größten Solarkraftwerke der Welt.
Am nächsten Morgen brechen wir von Ouarzazate nach Tamtetoucht auf. Während wir noch unsere Mopeds satteln, fährt am Hotel eine Karawane von Porsches und anderen Sportwagen vorbei. Ist das jetzt noch eine weitere Marokko Rallye oder gehören die zu einer bereits oben erwähnten? Ich weiß es nicht und verliere so langsam den Überblick über diese Edel-Karawanen. Hoffentlich haben wir die nicht alle im Dades Tal vor uns. Nein, haben wir nicht und können dieses “Stilfser Joch Marokkos”, wie es Sputnik in seinen unterhaltsamen YouTube Videos nennt, ungestört hinauffahren. Was für ein Spaß!!!
Oben angekommen stärken wir uns beim Berber Omelett und treffen im Laufe der Pause auch unsere zweite Gruppe wieder. So kann man sich immer schön über die Erlebnisse austauschen. Heute Nacht schlafen wir in einem Berber Hotel, das nicht besser in die Landschaft integriert sein könnte. Unser Gepäck tragen für etwas Trinkgeld zum Glück sportliche Burschen die vielen Treppen rauf und runter und über die Hängebrücke bis zum Hotel. Ranfahren kann da niemand. Abends wird für uns ein ganzes Lamm gebraten. Danach sollte ich echt einen Schnaps trinken – ach nee – Fastenzeit und ohnehin schnapslose Gegend.
Unser nächstes Ziel lautet Merzouga, wo wir wiederum zwei Nächte verbringen werden. Unser Hotel liegt direkt am Eingang der Dünenlandschaft Erg Chebbi, die zur Sahara gehört. Zum Glück tut sie das – habe ich doch daheim rumposaunt, dass ich mit der BMW in die Sahara fahren werde. Diese begrüßt uns mit einem handfesten Sandsturm und lustigen Warnschildern. Mehr Wüste nun auch im Helm, zwischen den Zähnen und in den Luftfiltern, als wir uns erträumt haben. Die Reise ist schon echt intensiv!
Wir werden herzlich mit dem obligatorischen Pfefferminztee empfangen und bekommen auch noch leckeres Gebäck dazu. So gestärkt schmieden wir Pläne für den nächsten Tag, der zur freien Verfügung steht. Wir können Buggys mieten, an Kameltouren teilnehmen oder sonst wie im Sand spielen. Die Gnade des späten Aufstehens am nächsten Morgen ermöglicht es mir, die ersten Erfahrungsberichte aus den Dünen zu hören. Alle, die morgens in der Hoffnung auf einen tollen Sonnenaufgang schon mit der eigenen Maschine im Sand waren, haben sich abgelegt. Na toll – soll ich das dann auch noch versuchen?
Bis ich mit dem Frühstück fertig bin, sind schon die ersten Reisegenossen per Buggy und mit Guide Richtung Sand entschwunden. Schön, dass ich mich mit dem Rumposaunen schon so weit selbst unter Druck gesetzt habe, dass ich frisch gestärkt aber allein den Weg in die Dünen einschlage. Markus hatte mir zum Glück noch gesagt, dass die dunklen Stellen im Sand härter und griffiger sind. In den ganz gelben Stellen bleib ich dann auch direkt stecken. Ich muss absteigen, um das Hinterrad zu entlasten und bugsiere die GS dann so aus dem losen Sand. Ich denke aber schon eine schöne Stelle für Poser-Fotos gefunden zu haben. Während ich die Nikon, die ich per App fernauslösen kann aufbaue, traue ich meinen Augen nicht. Hinter der mittelhohen Düne steht doch tatsächlich schon wieder ein Lehrer mit seinem Wohnmobil. Wie hat der es denn bis dahin geschafft und wird er je wieder rauskommen?
Das scheint ihn nicht zu beschäftigen, da er neben dem Mobil in der Sonne sitzt und Kaffee trinkt. Ich kann es nicht fassen, dass mir immer wieder Wohnmobile an Stellen begegnen, die ich schon einigermaßen abenteuerlich erreicht habe. Sei es auf Waldwegen in Litauen, an einem schwer erreichbaren Fjord in Norwegen oder auf der Baja California. Das gibt´s doch nicht! Okay, ich muss also tiefer in die die Dünenlandschaft hineinfahren. Ich kann doch keine Fotos schießen mit einem Wohnmobil im Hintergrund. So fahre ich noch ca. 4km tiefer rein und so langsam klappt es auch halbwegs. Wenn ich Luft abgelassen hätte, ginge es vermutlich noch besser. Ich weiß aber nicht wieviel und habe auch keine Pumpe dabei. Also bleibt der Druck wie er ist.
Ist aber echt anstrengend zu fahren. Nun entstehen diese Fotos, mit denen ich zufrieden bin:
Vielleicht sind die Wohnmobilisten aber doch irgendwie cool, wenn sie überall hinfahren, ohne Aussicht darauf, wieder herauszukommen?!
Der Wind frischt leider wieder auf und der Himmel verdüstert sich so langsam wie gestern Nachmittag im Sturm. Das ist mein Zeichen, diesen Egotrip zu beenden. In welche Richtung ich fahren muss, glaube ich zu wissen. Mir fällt aber nun auf, dass alle Dünen inzwischen ziemlich gleich aussehen, und ich meine “Idealroute”, auf der ich hier reingekommen bin, nicht mehr finde. So fahre ich etwas im Kreis, bleibe mal wieder im Sand stecken und sehe mich schon zu Fuß Richtung Hotel laufen oder den Wohnmobilisten um Unterkunft zu bitten. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Während ich da so rumkurve, treffe ich zum Glück auf einen Geländewagen samt Guide am Steuer, der zwei holländische Touristen nach deren Fotosession heimbringt. Der kennt natürlich unser Hotel Ksar Bicha und weist mir den Weg. Genauer gesagt fährt er vor, liefert mich vor dem Hotel ab und bringt dann lachend seine Insassen zu deren Hotel. Schon gut, dass dieser Teil der Wüste noch so belebt ist. Sonst wäre ich aber auch nicht allein aufgebrochen. Bin ja nur etwas unvernünftig. Morgen startet hier übrigens die Tuareg Rallye – natürlich.
Noch bessere Fotos entstehen abends, als mich Micha aus Berlin fragt, ob ich Lust habe, noch an einer Land Cruiser Tour auf die höchsten Dünen teilzunehmen. Der einheimische Fahrer gleitet wirklich mühelos mit dem dicken Auto durch den Sand und auf die höchste Düne. Wir schießen spektakuläre Fotos im Abendlicht, da der Wind nachgelassen hat und der Himmel wieder blau ist.
Das wird heute mit 400km eine recht lange Etappe von Merzouga nach Azrou. Dafür wartet an deren Ende aber ein ziemlich edles und gediegenes Hotel auf uns. Le Palais des Cerisiers. Es scheint, als habe sich jemand die Baupläne dafür von Architekten aus den französischen Skiorten der Alpen kommen lassen. Wieder eine der Überraschungen Marokkos! Im Winter liegt hier oben auch Schnee. So schnell geht es also von der Wüste in das “Skiresort”. Eine vermeintlich schöne Abkürzung durch den Affenwald wird wieder zwei Fahrern zum Verhängnis. Wobei einer nur umkippt, weil er tatsächlich mit dem Hosenbein an der Fußraste hängen bleibt. Endlich angekommen, kann aber letztlich jeder den Luxus dieses schicken Hotels genießen.
Von Azrou nach Chefchaouen:
Nochmal in die herrliche blaue Stadt auf dem Rückweg als letzte Station in Marokko. Dort sollte ich etwas abenteuerlich und als Letzter ankommen.
Ich habe anfangs erwähnt, dass ich mir die Tour etwas individuell gestaltet habe, obwohl ich mit einer coolen Gruppe unterwegs bin. Nachdem wir auf der steilen Schotterabfahrt zum Hotel die besagten Stürze zu verzeichnen haben (es gibt auch einen leichten asphaltierten Weg, den aber nicht jeder nutzen wollte oder konnte) entschließen sich die Guides die recht lange Etappe nach Chefchaouen zu entschärften und nicht über das Rifgebirge zu fahren. Das Gebirge und vor allem seine löchrigen Serpentinen und die etwas wilden und teilweise kriminellen Bewohner haben es nämlich in sich.
Ich habe genug gehört und mein Abenteuerpunkt ist getriggert. Nach diesen Ansagen muss ich natürlich durch diese Gegend fahren. Das machen ich dann allein und finde den Weg anhand der bereitgestellten GPX-Daten, die ich in Calimoto hochlade.
Hätte nicht gedacht, dass ich, ohne mich zu verfahren bis vor das sichere Hotel in der blauen Stadt finde. Allerdings hätte ich auch nicht gedacht, dass das Gebirge bis auf 2.500m ansteigt, ich stundenlang in der Wolkendecke herumkurve, mit einer Sichtweite von ca. 48m und die Temperatur auf 5 Grad abfällt.
(Manchmal sollte ich doch auch während der Reise in meinen kleinen Marco Polo oder zumindest dessen Landkarte schauen.) Super, dass ich immer noch die BMW Sahara Sommerhose trage. Die mit den schönen Seitentaschen.
Zum Glück friere ich an den Beinen nicht so schnell. Jedoch obenrum muss ich schleunigst alles anziehen, was ich dabeihabe. So halte ich an und sortiere meine Oberteile.
Ruckzuck hält ein zusammengeflickter Golf mit drei Insassen neben mir an. Der Cheffe redet in einer Mischung aus Spanisch und Französisch auf mich ein. Die alten, verbeulten und umgebauten Fahrzeuge dort oben sowie viele Anwohner könnten direkt im nächsten Teil von Mad Max mitspielen. Ich muss hier immer wieder an “Jenseits der Donnerkuppel” denken, was auch mit der Endzeitstimmung in dem dichten Nebel zusammenhängt. Der Cheffe gibt mir zu verstehen, dass ich mit ihm einen rauchen soll, am besten bei ihm daheim, um mich von der Qualität seiner selbst angebauten Erzeugnisse zu überzeugen. Nachdem er mein Hamburger Kennzeichen sieht, schlägt er auch noch den Aufbau einer Handelsroute in die Hansestadt vor. Ich gestikuliere, dass das gerade alles nicht passe und meine Gruppe im Hotel in Chefchaouen auf mich warte. Dies lässt er alles noch nicht gelten. Und so baue ich aus meinen begrenzten Sprachkenntnissen folgenden Satz zusammen: “Pas de possible. Yo soy abogado” Erkläre ihm also, dass ich Rechtsanwalt bin. Also zumindest Jurist. Das übersetzt er seinen jungen Mitfahrern ins Arabische und alle lachen sich schlapp. Immer gut, wenn so finstere Gesellen lachen. Das löst die Stimmung und die Drei freuen sich so sehr, dass sie mir unbedingt ein kleines Geschenk mit auf die Reise geben wollen. Das lehne ich nicht ab, um die Stimmung nicht zu gefährden. So stecke ich ein kleines Stückchen in meine linke Seitentasche der Hose. Das erwähne ich so genau, da der belgische Schäferhund des spanischen Zolls am nächsten Tag genau mehrfach nach der Tasche schnappt.
Das mal als kleine Warnung, falls jemand auf die Idee kommt, sich solche Andenken mit nach Europa zu nehmen. Das Stückchen hatte ich zum Glück entsorgt und so rochen nur noch die Hose und auch die 20 Dirham-Note, die in der Tasche steckte nach der “chocolata”, wie es die spanischen Zöllner nennen. Gut, dass sie es damit bewenden lassen und nicht anfangen, mein Gepäck und mich oder gar die ganze Gruppe zu dursuchen, mit der ich am nächsten Tag wieder via Ceuta nach Europa einreise. Sie wären zwar nicht fündig geworden, aber wir hätten die Fähre verpasst.
Im gesamten Rifgebirge treffe ich im Gegensatz zu den anderen Regionen nur ein (1!) anderes touristisches Fahrzeug. Als ich mich diesem nähere, fährt es schnell davon. Die Insassen treffe ich später nochmal und da erkennen sie, dass ich auch Tourist bin. Sie sind zuvor weggefahren, weil sie dachten, ich sei einer der dealenden Einheimischen!
Also wer mag, kann sich eine Gruppenreise etwas abenteuerlicher gestalten…
Die meisten TeilnehmerInnen waren jedoch mit dem vorgesehenen Programm und den asphaltierten Straßen vollkommen zufrieden. Jeder hatte aber auch die nötigen Freiheitsgrade, sich etappenweise einer kleinen Offroad-Gruppe anzuschließen oder mal einen ganzen Tag allein zu fahren. Prima Tour, auf gut 2800 km!
Über den Autor: Theo ist 52 Jahre alt, lebt in Hamburg und fährt seit 33 Jahren Motorrad. Inzwischen hat er ca. eine viertel Million km auf zwei Rädern absolviert und 50 Länder bereist. Darunter auch Mexico, USA, Neuseeland. Die bislang größte Reise war die weiträumige Umrundung der Ostsee in gut vier Monaten.